Aus der PISA - Studie wollen wir lernen:
Vorschläge der Türkischen Dach- und Fachverbände
für die Verbesserung der Bildung von Kindern nichtdeutscher Herkunft im
deutschen Bildungssystem
–Eine Bildungsoffensive–
»Schulsprache Deutsch – Muttersprache Türkisch
Das ist eine Bereicherung - Recht auf Muttersprache!«
Die Ergebnisse einer
Bildungsvergleichstudie, des sogenannten PISA–Tests, die in insgesamt 32 Ländern
durchgeführt wurde, sind für die Bildungssituation Deutschlands alarmierend.
Unter diesen Ländern rangiert Deutschland auf Platz 21.
Für dieses Ergebnis können
viele Gründe als Erklärung herangezogen werden. Durch die PISA–Studie wird
jedoch belegt, dass es dem deutschen Schulsystem nicht gelungen ist, sozial
benachteiligte Kinder und Jugendliche genügend zu fördern. Zu dieser Gruppe
zählen zumeist auch türkische Kinder.
Ungleiche Startchancen
türkischer Kinder wegen nicht ausreichender Sprachkenntnissen bei Schulbeginn
begleiten viele von ihnen durch ihre gesamte Schullaufbahn und führen unter
anderem dazu, dass bei dieser Gruppe doppelt so viele wie ihre deutschen
Altersgenossen ohne Hauptschulabschluss bleiben und nur ein Drittel von ihnen
die Hochschulreife erreicht.
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ATÖF
Almanya
Türk Öğretmen Dernekleri Federasyonu
Bund der türkischen
Lehrervereine in Deutschland
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Wir, die türkischen
Dachverbände:
Türkische Gemeinde in
Deutschland
Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland und
Bund der türkischen Lehrervereine in Deutschland
sind besorgt, dass eine
große Zahl von Kindern türkischer Herkunft, die in Deutschland geboren und
meistens in den sogenannten Ballungsgebieten aufwachsen sind, beim Schulbeginn
über keine oder nur sehr geringe Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen.
Dies ist hauptsächlich
dadurch zu erklären, dass jene Kinder gar nicht oder nur im geringen Umfang
vorschulische Einrichtungen besuchen und daher nicht von deren Förderangeboten
Gebrauch machen können.
Erfahrungen zeigen, dass
Kinder nichtdeutscher Eltern nach mindestens dreijährigem Besuch von
Kindergärten oder Kindertagesstädten zum Zeitpunkt der Einschulung kaum
sprachliche Defizite aufweisen. Gute, zumindest aber ausreichende Kenntnisse der
deutschen Sprache sind aber die Grundvoraussetzung für gleiche Start- und
Bildungschancen wie später für erfolgreiche Schulabschlüsse.
Deshalb sind dringend
Maßnahmen erforderlich, um Defizite bei der deutschen Sprache bis zum
Schulbeginn zu beheben, zumindest aber zu verringern.
Hierfür wäre zu
überlegen, in wieweit zumindest ein einjähriger obligatorischer Besuch von
Einrichtungen im Elementarbereich aller Kinder, deutscher und nichtdeutscher
Herkunft, möglich ist. Dieses »Vorschuljahr« könnte beispielsweise
unmittelbar vor Schulbeginn erfolgen.
Darüber hinaus sollten
vor allem die nichtdeutsche Eltern motiviert werden, ihre Kinder spätestens
ab dem dritten Lebensjahr in Kindertagesstätten zu schicken oder ab drittem
Lebensjahr soll man Kindertagesstättepflicht einführen.
Mit diesem Ziel sollte
eine enge Zusammenarbeit der türkischen Eltern- und Lehrervereine und der
Gemeinden mit den Schulbehörden erfolgen. Hierfür sollten die türkische
Eltern durch Briefe, Informationsveranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit und
Beratungen vor allem in den Schulen und Vorschuleinrichtungen sowie den
türkischen Vereinen in türkischer und deutscher Sprache informiert werden.
Schaffung geeigneter
Rahmenbedingungen in den Kindergärten, Kindertagesstätten und
Vorschulklassen, mit dem Ziel, die sprachliche Kompetenz der Kinder gezielt
zu fördern.
Hierfür sollte die
sprachliche Förderung den altersadäquaten Bedürfnissen entsprechend
ausgeweitet werden. Die Vermittlung der deutschen Sprache sollte durch
geschulte und kompetente Pädagoginnen und Pädagogen erfolgen. Hierzu bedarf
es der Qualifizierung der im Elementarbereich tätigen Lehrkräfte. Die
Bemühungen und Fördermaßnahmen sollten sich vor allem in die Stadtteile
konzentrieren, in denen der Anteil der Kinder ohne deutsche Muttersprache
hoch ist.
Als einer der
wichtigsten Gründe für das schlechte Abschneiden des deutschen
Bildungssystems im internationalen Vergleich – das zeigt die PISA-Studie
deutlich – ist die ungenügende Förderung gerade sozial benachteiligter
Kinder und Jugendlicher durch das deutsche Schulsystem. Deshalb sollten
besonders diese Schüler gezielt durch Verkleinerung der Schülerzahl in den
Klassen und durch gezielten Nachhilfeunterricht gefördert werden.
Wie durch die
sprachwissenschaftliche Forschung in einigen Ländern und in Deutschland
bereits untermauert, ist die optimale sprachliche Entwicklung der Kinder von
der Beherrschung der Muttersprache abhängig. Deshalb sollte der
Zweisprachigkeit, dem erlernen der Muttersprache neben der Schulsprache
Deutsch, sowohl in den Vorschuleinrichtungen als auch in den Schulen die
notwendige Bedeutung beigemessen werden. Hierbei gewinnt die Zeugnis- und
Versetzungsrelevanz der schulischen Leistungen im muttersprachlichen
Unterricht eine besondere Beachtung.
Türkisch ist nach
Deutsch die meist gesprochene Muttersprache in Deutschland. Weltweit wird
Türkisch von mehr als 300 Millionen Menschen in sechs Ländern als Staats-
bzw. als Verkehrssprache gesprochen. Deshalb sollte Türkisch in den
Fremdsprachenkanon als eine der wählbaren Fremdsprachen aufgenommen werden.
Die Schul- und
Kultusminister und Behörden der Länder werden aufgefordert, die Ausbildung
der Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen und
Lehrerinnen und Lehrer durch entsprechende Weiterentwicklung des
Curriculums und der Sprachförderung den Anforderungen anzupassen und somit
zur Kompetenzerweiterung dieses Personals beizutragen. Bei der Einstellung
in den Schulen und Vorschulen sollte die Zweisprachigkeit der Erzieherinnen
und Erzieher und Pädagoginnen und Pädagogen gezielt honoriert werden.
Im Rahmen der
allgemeinen Sprachförderung der Angehörigen kultureller Minderheiten sollten
in diesen Einrichtungen Deutschkurse auch für nichtdeutsche Eltern angeboten
werden.
Die türkischen Berufs- und
Fachverbände und ihrer Mitgliedsvereine sowie die Türkische Gemeinde in
Deutschland mit ihren Landesverbänden wollen mit einer Bildungsoffensive im
Sinne dieser Vorschläge tätig werden. Durch eine Vielzahl von Veranstaltungen,
Beratungen und durch anhaltende Öffentlichkeitsarbeit werden wir vor allem
dafür werben, dass die türkischen Eltern ihrer Kinder ab dem vierten Lebensjahr
in die Vorschuleinrichtungen schicken, um ihren Kindern das Erlernen der
deutschen Sprache vor Schulbeginn zu ermöglichen.
Gleichzeitig werden wir in
den Ländern und Gemeinden mit den Schul- und Kultusministern sowie den
Schulbehörden Gespräche über diese Vorschläge führen und uns um die Umsetzung
der vereinbarten Ziele bemühen. Für die Realisierung dieser Maßnahmen brauchen
wir die tatkräftige Unterstützung der zuständigen Länderbehörden.
Prof. Dr. Hakkı Keskin
Dr. Ertekin Özcan
Mete Atay
(Bundesvorsitzender TGD)
(Bundesvorsitzender FÖTED) (Bundesvorsitzender ATÖF)